Motivation ohne „Tschakka!“
Wie werden wir zukünftig leben, arbeiten, wohnen und bauen? Mehr als 50 Referenten versuchten den Teilnehmern des 14. Allgäuer Baufachkongresses von Baumit darauf Antworten zu geben. Themenschwerpunkte waren vor allem Digitalisierung und Baupraxis, aber auch Personal- und Rechtsthemen.
Erschöpfungszustände bei Mitarbeitern haben in der Regel zwei mögliche Ursachen: Die auf der Hand liegende ist die Überforderung, weil die Arbeit als zu viel, zu anstrengend oder zu schwierig empfunden wird. In den meisten Fällen ist das aber gar nicht der Grund für Krankmeldungen und Depressionen. „Viele Arbeitnehmer sind so demotiviert, dass ihnen alles zu viel wird“, erklärte Dr. Volker Busch den zahlreichen Zuhörern beim Allgäuer Baufachkongress 2020, der wegen des großes Interesses extra in einen größeren Vortragssaal verlegt werden musste. Sein Vortrag „Motivation mit Herz und Hirn“ kam ganz ohne „Tschakka!“ aus. Stattdessen erläuterte der Neurowissenschaftler, Arzt und Trainer auf Basis aktueller Forschungsergebnisse den interessierten Firmeninhabern die fünf Grundbedürfnisse ihrer Angestellten, die es zu befriedigen gelte:
Lustgewinn: Mitarbeiter möchten Spaß an der Arbeit haben durch Aufgaben, an denen sie wachsen können.
Verbundenheit: Jeder Mensch möchte sich als Teil einer Gruppe empfinden.
Selbstwertschutz und -erhöhung: Jeder möchte von seinem Arbeitgeber Anerkennung erfahren.
Kontrolle: Menschen wollen selbstbestimmt arbeiten und nicht dauernd kontrolliert und gegängelt werden.
Orientierung: Arbeitnehmer möchten einen Sinn in ihrer Arbeit erkennen.
Mit vielen praktischen und bekannten Beispielen erläuterte Busch die Richtigkeit seiner Handlungsempfehlungen, die man etwas vereinfacht gesagt so zusammenfassen könnte: Glaubt daran, dass eure Mitarbeiter ganz aus sich selbst heraus gute Arbeit leisten wollen. Wenn man es schafft, sie nicht durch Misstrauen, Unterforderung, schlechtes Arbeitklima und das Versagen von Anerkennung zu demotivieren, mache man nicht nur den Angestellten, sondern auch sich selbst das Leben deutlich leichter und stressfreier.
Langanhaltender Beifall und spontane Reaktion der Zuhörer wie: „Genau wegen solcher Impulse komme ich jedes Mal zum Baufachkongress“ zeigen, dass das bewährte Veranstaltungsteam um Heike von Küstenfeld ganz richtig damit lag, mehr nicht-fachbezogene Referenten einzuladen. „Wir beobachten seit Jahren, dass das Interesse an Vorträgen zu Marketing- und Personalthemen steigt“, berichtete die Pressereferentin von Baumit bei der traditionelle Pressekonferenz am Vorabend des Baufachkongresses. Im Jahr 2020 habe man erneut einen Besucherrekord zu verzeichnen. Besonders erfreulich sei, dass immer mehr Teilnehmer zwei oder sogar alle drei Tage in Oberstdorf blieben.
Grund dafür ist sicherlich das umfangreiche Ausstellungs- und Vortragsprogramm, das in diesem Jahr einen besonders starken Schwerpunkt auf Digitalisierung legte. Schon gleich zu Beginn wagte Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky einen Ausblick auf das Jahr 2030, in dem künstliche Intelligenz keine Zukunftsvision, sondern alltäglich sein werde. Leistungsfähige Quantencomputer würden dann nicht nur mit Echtzeitdaten operieren, was aktuell als Stand der Technik gilt, sondern Prognose-Daten liefern, deren Einschätzungen und Vorhersagen wegen ihrer guten Qualität die Entscheidungsprozesse von Menschen beeinflussen.
Dass man gerade beim Bauen noch weit von einer digitalen Zukunft entfernt ist, machte Dr. Alexander Riek, Direktor des Architekturbüros LAVA und Forscher am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft, deutlich. Verglichen mit anderen Bereichen der Wirtschaft hinke man bei der Planung und Ausführung von Bauwerken weit hinterher. Selbst längst etablierte Technologien wie BIM oder der Einsatz von Virtual Reality bei der Planung und Ausführung würden noch längst nicht standardmäßig eingesetzt. Er zeigte an Beispielen seines Architekturbüros, wie durch den Einsatz digitaler Modelle Planungen nicht starr sein müssen, sondern gewissermaßen „atmen“ können und leicht auf sich verändernde Anforderungen angepasst werden können.
Zufrieden mit Geschäftsentwicklung
Baumit Geschäftsführer Heiko Werf zeigte sich mir dem zurückliegenden Geschäftsjahr sehr zufrieden. Zwar registriere man einen Rückgang bei Baugenehmigungen, da es aber einen Bestand von etwa 270 000 genehmigten Wohneinheiten gebe, die noch nicht gebaut seien, zeigte er sich optimistisch, dass die Baukonjunktur auch in den kommenden Jahren stark bleibe. Eine große Gefahr für die Branche gehe allerdings von einem sich verschärfenden Fachkräftemangel aus. Aus diesem Grund seien die von der Politik geplanten 350 000 zu bauenden Wohneinheiten jährlich auch unrealistisch. Er schätzt, dass in Deutschland maximal 300 000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden können.
Laut Geschäftsführer Peter Sarantis wird Baumit auch im kommenden Jahr kräftig investieren. Der „größte Brocken“ ist der Neubau eines Werks in Wittenborn, um von dort den norddeutschen Markt besser bedienen zu können.
Auch die Entwicklung neuer Produkte hat der Allgäuer Baustoffproduzent vorangetrieben. Wie Marketingleiter Sebastian Rettke mitteilte, freue man sich darüber, im Bereich der energetischen Sanierung die Zulassung für das WDVS mit keramischer Oberfläche („CeramicFassade“) erhalten zu haben, so dass das System jetzt ohne Zustimmung im Einzelfall verbaut werden könne. Darüber hinaus wurde die gesamte Saniersparte unter dem Namen „Sanova“ neu aufgestellt. Etwas gewöhungsbedürftig für die Kunden dürfte sein, dass jetzt auch lange bewährte Produkte in diese neue Produktfamilie eingegliedert wurden. Außerdem wurden eine Vielzahl von neu entwickelten Produkten vorgestellt, darunter Produkte zur Mauerwerkssanierung nach WTA, Produkte zur Fassadensanierung wie „multiSockel Base 520“ und Produkte zur historischen Sanierung, darunter Trass-Mauermörtel mit reduzierter Schwind- und Ausblühneigung.
Immer wichtiger bei der Produktentwicklung werde der Bereich „Gesund Wohnen“, in dem sich Baumit als Vorreiter sieht. Wichtige Erkenntnisse darüber, welche Bauweise und welche Materialkombinationen das beste Raumklima und die niedrigsten Schadstoffkonzentrationen in einem Gebäude zur Folge haben, gewinnt der Baustoffhersteller in seinem „Viva Forschungsparkt“ in Wopfing bei Wien. Eine aktuelle Messreihe geht dabei beispielsweise der Frage auf den Grund, welche Auswirkungen die Endbeschichtung auf das Raumklima hat.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt bei Baumit und gleichzeitig auch Themenschwerpunkt des Baufachkongresses gilt der Frage: Wie sieht die Zukunft des Bauens aus. Bereits im Herbst 2017 hatte das Unternehmen den „BauMinator“, ein System zum 3D-Drucken mit Beton, der Fachpresse vorgestellt, in diesem Jahr präsentierte das Unternehmen die Technologie, mit der sich zum Beispiel Schalungen realisieren lassen, die mit herkömmlichen Methoden nicht hergestellt werden können, prominent im Eingangsbereich des Oberstorfhauses.
Autor
Thomas Schwarzmann ist Redakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.