Zu Besuch im Viva Forschungspark
Der Viva Forschungspark in Wopfing bei Wien gilt als Europas größtes Zentrum zur vergleichenden Untersuchung von Baustoffen. Wir haben den Forschungspark Mitte November vergangenen Jahres besucht, um am eigenen Leib die Auswirkungen von Baustoffen auf unser Wohlbefinden zu erfahren.
Rund 5000 Menschen besuchen jährlich das Innovations- und Schulungszentrum von Baumit in Wopfing bei Wien. Das Gebäude war schon immer eine Schule, eine Volksschule. Robert Schmid, Geschäftsführer und Eigentümer der Baumit Beteiligungen GmbH steht in seinem ehemaligen Klassenzimmer, wenn er uns erzählt, wie sein Großvater Alois Schmid 1939 am Ort ein Kalkwerk gründete. Daraus ist ein Weltunternehmen geworden: Zur Schmid Industrie Holding gehören heute mehr als 100 Unternehmen. Darunter auch die Firma Baumit, die in 25 Ländern operiert und 2015 in Wopfing den Viva Forschungspark eröffnete.
Europas größter Forschungspark zur vergleichenden Untersuchung von Baustoffen
Mitte November vergangenen Jahres besuchten wir von der Redaktion der bauhandwerk den Viva Forschungspark. Dieser besteht aus mittlerweile dreizehn ganz unterschiedlich konstruierten Forschungshäuschen. Die Bodenplatte für das vierzehnte Forschungshäuschen ist bereits gegossen. Die Häuschen stehen so, dass sie sich gegenseitig nicht beschatten. Der jeweils 3 x 4 m große Innenraum der an Tiny Houses erinnernden Gebäude ist mit Messtechnik vollgestopft. Über jeweils 33 Sensoren je Raum werden die bauphysikalisch relevanten Parameter erfasst. Haus 8 ist der Speicherung der enormen Datenmenge vorbehalten und dient ausschließlich zur Aufnahme des Datenservers.
3 Millionen Euro für 5 Millionen Daten
Ein solch großer Forschungspark ist natürlich kein wissenschaftlicher Selbstzweck, nicht nur Sammelbecken für Millionen von Messdaten. Baumit steckte allein in den ersten beiden Jahren des Bestehens rund drei Millionen Euro in das Projekt – eine Investition in gesundes Wohnen. Denn in Wopfing geht es um die Erforschung der Auswirkungen von Baustoffen auf den Menschen. Und diese Auswirkungen werden nicht theoretisch, sondern empirisch, also durch Ausprobieren ergründet. „Heute kann man Häuser bauen, die das Raumklima fördern oder belasten “, sagt Robert Schmid. Ziel der Untersuchungen: „Wir wollen, dass alle Menschen gesund, energiesparend und schön wohnen können“, so Schmid weiter.
Lebensmittel Luft – bitte weder zu trocken noch zu feucht
Wir verbringen rund 90 Prozent unserer Lebenszeit in Räumen. Da wünscht man sich, dass die für den Bau verwendeten Materialien unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden fördern. Laut dem Deutschen Allergie- und Asthmabund ist die Luft in unseren Räumen aber noch schlechter als die Außenluft in vielen deutschen Innenstädten. Was ist also zu tun? Ein Aspekt ist sicher der konsequente Verzicht auf gesundheitsgefährdende Baustoffe. Ein anderer ist die Raumfeuchte. Diese spielt für unsere Gesundheit eine entscheidende Rolle. Als Faustregel gilt: Die relative Luftfeuchte sollte zwischen 40 und 60 Prozent liegen. Liegt sie darüber, ist es also zu feucht, kann sich zum Beispiel Schimmelpilz bilden; ist es zu trocken werden Erkrankungen der Atemweg wie Asthma und Infektionskrankheiten gefördert. Der Wandaufbau sollte also diffusionsoffen und die Wandoberflächen mit feuchteregulierenden beziehungsweise feuchtepuffernden Baustoffen versehen sein.
Ausführung der Varianten
Die Forschungshäuser stehen auf Sockeln aus von unten mit XPS gedämmten Bodenplatten aus Beton. Die Sockelfundamente wurden zusätzlich von außen gedämmt, um Wärmeverluste möglichst gering zu halten. Auf eine lösemittelhaltige Bauwerksabdichtung hat man verzichtet, um den Eintrag an flüchtigen organischen Verbindungen (volatile organic compounds, kurz VOC) so gering wie möglich zu halten. Stattdessen kam eine sehr VOC-arme Abdichtungsmasse zur Anwendung. Zudem wurden die beschichteten Bodenplatten mit einer VOC-freien Polyethylen-Alupappe-Verbund-Abdichtungsbahn abgeklebt. Auch beim Einbau der Fenster und Türen hatte die Dichtheit oberste Priorität. Sie wurde später mit entsprechenden Messverfahren überprüft.
Der Wandaufbau der Häuser reicht von Beton-, Ziegel- und Massivholzbauweise (Blockhaus) bis hin zu Holzriegel-Leichtbauweise. Trotz der unterschiedlichen Wandbildner und Wandkonstruktionen sollten alle Häuser den gleichen U-Wert von 0,15 W/m2 (Niedrigenergiehausstandard) haben. Dementsprechend unterschiedlich dick mussten die Häuser von außen gedämmt werden. Eine Ausnahme hiervon bildet neben dem ungedämmten Haus das aus mit Mineralwolle gefüllten 50er-Ziegeln gemauerte Haus.
Alle Häuser wurden von außen verputzt und weiß gestrichen. Entscheidend für das Raumklima und für die Luftqualität ist jedoch der innen verwendete Putz und die darauf aufgebrachte Farbe. Der Aufbau der Decken und Fußböden ist hingegen bei allen Forschungshäuschen gleich.
Erfassung der Messdaten
Um die unterschiedlichen Wandaufbauten sowohl in ihrer Feuchtigkeitsaufnahme- und Wärmeleitfähigkeit als auch ihrem Wärmespeicherverhalten analysieren und vergleichen zu können, gibt es verschiedene physikalische Messgrößen (Parameter). Während das Wärmespeichervermögen von Ziegeln mit 860 J/kgK mit dem von Beton mit 900 J/kgK etwa vergleichbar ist, liegt der Wert für Polystyrol mit 1200 J/kgK höher und der für Holz mit 1680 J/kgK sogar fast doppelt so hoch wie der für Ziegel. Entscheidend ist jedoch der Einfluss den die einzelnen Komponenten des Wandaufbaus beziehungsweise der Wandinnenflächen auf die Messdaten haben. Rund um die Uhr wurde in jedem Haus gemessen. Diese Messdaten betreffen die relative Feuchtigkeit der Raumluft, die Innenraum- und Oberflächentemperatur, den Luftionen-, Formaldehyd- und VOC-Gehalt, Radon, Geruch, Schall und Akustik, die Feuchtesorption und Wasserdampfdiffusion der Baustoffe und sogar die Dämpfung hochfrequenter elektromagnetischer Felder. Das Nutzerverhalten wird über eine Fußbodenheizung (mit Energiezähler) und eine kalibrierte Lüftungsanlage mit zwei Luftwechseln pro Tag (Stoßlüften) vorgegeben. Zudem wird Wasserdampf entsprechend einer normalen Nutzung mit Duschen am Morgen und Kochen am Mittag drei Mal pro Tag über einen Luftbefeuchter zugeführt.
Ergebnis der Messungen – eine Empfehlung
Von Anfang an war man sich bei Baumit darüber im Klaren, dass das Projekt nur in Zusammenarbeit mit externen Wissenschaftlern umgesetzt werden kann. „Wir liefern die Daten, aber die Auswertung erfolgt durch unsere Kooperationspartner“, sagt Jürgen Lorenz, Forschung und Entwicklung bei Baumit und Projektleiter des Viva Forschungsparks. Zu diesen Kooperationspartnern zählen das IBO Österreichisches Institut für Baubiologie und Bauökologie, die Fachhochschule Burgenland, die AGES Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und die Medizinische Universität Wien.
Das Ergebnis der Messungen lässt sich ganz grob unter folgender Faustformel zusammenfassen: „Gedämmte Fassade, Masse ist klasse und Innenputz ist wichtig.“ Letzterer wirkt sich besonders dann günstig auf das Raumklima aus, wenn er sehr kleine Poren hat, weil diese eine große innere Oberfläche bewirken, an der Feuchtigkeit angelagert werden kann. Wird es im Raum dann wieder trockener, kann die gespeicherte Feuchtigkeit wieder an die Raumluft abgeben werden. Diese feuchtepuffernde Wirkung findet über die Fläche der Wand statt. Daher reichen 1,5 cm bis 3 cm Putzschichtdicke bereits aus.
Wie man sich in einem Raum fühlt, hängt natürlich sehr vom persönlichen Empfinden ab. Wir durften uns während unseres Besuchs Mitte November in drei der dreizehn Forschungshäuschen eine Weile aufhalten. Am unangenehmsten war es im Haus in Holzriegel-Leichtbauweise. Mit Gipskartonplatten beplankt und lediglich mit Dispersionsfarbe gestrichen (ohne Innenputz) war nicht nur die Akustik katastrophal, sondern die Raumluft machte auf uns den Eindruck, als wolle sie uns die Feuchtigkeit aus der Haut herausziehen. Ganz anders war es in dem in Massivholzbauweise errichteten Haus. Hier gab es nicht einmal Farbe auf den Innenwandoberflächen, jedoch fühlte sich die Luft angenehm und auch die Akustik gut an. Den intensiven Geruch nach Holz muss man aber mögen. Am besten war es jedoch in dem aus 50er-Ziegeln (mit Mineralwolle gefüllt) erbauten Haus, das innen mit Kalk verputzt und mit Mineralfarbe gestrichen war. Und diese Empfindungen wollen erstaunlich gut zu den Messergebnissen passen: „Gedämmte Fassade, Masse ist klasse und Innenputz ist wichtig.“
AutorDipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.