Nachträgliche Horizontalsperren zur Abdichtung richtig einsetzen
Schäden durch kapillar aufsteigende Feuchtigkeit werden durch fehlende oder unwirksame horizontale Abdichtungen verursacht. Mechanische Verfahren zum nachträglichen Einbau von Horizontalsperren haben sich bewährt. Wir geben einen Überblick und zeigen Schneide- und Sägeverfahren.
Im Neubaubereich wird das Einbringen horizontaler Sperren im Wesentlichen durch die DIN 18533 geregelt. Bei Bestandsbauten besteht die Schwierigkeit darin, dass zunächst ein horizontaler Freiraum geschaffen werden muss, in den die Horizontalsperre nachträglich eingebracht werden kann oder die Mauerwerksschicht durchgehend kapillar wasserdicht ausgerüstet werden muss.
Eine mechanische Horizontalsperre kann nur als ein Bestandteil eines geeigneten Sanierungskonzeptes zum Feuchteschutz betrachtet werden, wenn auf der Basis qualifizierter Voruntersuchungen als wesentliche Schadensursache kapillar aufsteigende Feuchtigkeit im Mauerwerk nachgewiesen worden ist. Der nachträgliche Einbau mechanischer Horizontalabdichtungen (im Folgenden kurz H-Abdichtung) erfolgt immer durch Trennung des Mauerwerks und muss aus mindestens einem durchgehenden, die Kapillaren durchtrennenden Spalt bestehen.
Große Sicherheit für anspruchsvolle Nutzungen
Voruntersuchung zur Kontrolle des Mauerwerkquerschnitts
Foto: Jürgen Gänßmantel
Eine mechanische H-Abdichtung bietet insbesondere für die anspruchsvolle Nutzung sanierter Gebäude, zum Beispiel als Archive, Bibliotheken, Krankenhäuser, hochwertige Immobilien oder Lagerräume für stark feuchteempfindlicher Güter, die Variante mit der größten Sicherheit. Bei der alternativen H-Abdichtung mittels Bohrlochinjektion kann meist nur mit relativ hohem Zeit- und Kostenaufwand sichergestellt werden, dass sich das gewählte Injektionsmittel über die Bohrlöcher im Mauerwerk so verteilt und wirksam wird, dass auch tatsächlich eine durchgängige Abdichtungsfunktion im Sinne eines Sperrhorizonts entsteht.
Besonders bei denkmalgeschützten Gebäuden hat eine nachträgliche mechanische H-Abdichtung den Vorteil, dass eine sogenannte Reversibilität dieser Abdichtungsart gegeben ist. Das bedeutet, der nachträgliche Einbau der H-Abdichtung am Baudenkmal könnte theoretisch wieder rückgängig gemacht werden, weil das Abdichtungsmaterial keine untrennbare chemische Verbindung mit der denkmalkonstituierenden Bausubstanz eingeht.
Planung und Voruntersuchungen
Die Planung nachträglicher mechanischer H-Abdichtungen muss sicherstellen, dass durch fachgerechte Wahl des Verfahrens und der möglichen, geeigneten Baustoffe unter Berücksichtigung der für den Einzelfall geltenden konstruktiven, bauphysikalischen, ausführungstechnischen und nutzungsbedingten Anforderungen das Instandsetzungsziel erreicht wird. Die Basis dazu sind Voruntersuchungen zur Bestands- beziehungsweise Zustandsanalyse und zur Erfassung vorhandener Schadensbilder in Verbindung mit den geplanten Nutzungsanforderungen. Diese umfassen unter anderem die Überprüfung der Konstruktion (Regelquerschnitte, Durchdringungen, Fugenlage usw.), eventuell bereits vorhandener Abdichtungen und des Baugrundes. Darauf aufbauend wird das Sanierungskonzept erstellt, mit dem das Verfahren, die zu verwendenden Baustoffe, der Sperrhorizont, die erforderlichen flankierenden Maßnahmen und die Überprüfung festgelegt wird.
Um Unsicherheiten bei der Planung und Ausführung zu vermeiden und nationale Regelwerke zu ergänzen, wurde ein Regelwerk für Bestandsbauten erarbeitet, das auch in diesem Beitrag zugrunde gelegt wurde (WTA 4-7).
Verfahrenstechnik
Der Einbau nachträglicher mechanischer H-Abdichtungen ist ein Eingriff in das Tragwerk
Foto: Jürgen Gänßmantel
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass der Einbau nachträglicher mechanischer H-Abdichtungen immer einen Eingriff in das Tragwerk darstellt, weshalb ein Tragwerksplaner zur statischen Beurteilung des Bau- und Endzustandes in jedem Fall hinzuzuziehen ist. Für mechanische Horizontalsperren gilt grundsätzlich, dass die Standsicherheit des Bauteiles während und nach der Durchführung der Maßnahmen gewährleistet sein muss. Weiterhin müssen im Zuge der Arbeiten entstandene Hohlräume kraftschlüssig verschlossen werden.
Das Wirkprinzip der Sperrung des Feuchtetransportes durch Erneuerung oder Herstellung der horizontalen Abdichtung mittels mechanischer Horizontalsperren kann durch die Varianten Maueraustausch-, Kernbohr-, Blecheintreib- bzw. Ramm- sowie Schneide- und Sägeverfahren geschaffen werden. In diesem Beitrag werden Praxisbeispiele zum Schneide- und Sägeverfahren vorgestellt.
Schneide- oder Sägeverfahren
Dabei handelt es sich um mehrstufige Verfahren, bei denen in der 1. Stufe die Trennung des Mauerwerks erfolgt, in der 2. Stufe die Sperrschicht eingelegt und in der 3. Stufe abschließend der Sägeschnitt verschlossen wird. Die (abschnittsweise) Trennung des Mauerwerks kann in Trocken- oder Nassschnittverfahren mit einer Mauerfräse, Mauerketten- oder Diamantseilsäge erfolgen. Hinsichtlich Mauerwerksart und -querschnitt besteht grundsätzlich keine Einschränkung; bei mehrschaligem Mauerwerk sind eventuell gesonderte Maßnahmen erforderlich.
Mauerschneideverfahren mit Diamantseil: Die Arbeitsseite ist innen mit Steuerung
Foto: Jürgen Gänßmantel
Nach dem Erstellen der Schnittfuge wird diese zunächst gereinigt. Danach erfolgt das Einbringen der Sperrschicht; dabei muss besonders auf statische Einflüsse wie Gewölbeschub oder hohe Druckbelastung geachtet werden. Anschließend erfolgt das Schließen der Restfuge; hierzu unterscheidet man mehrere Varianten. In den hier vorgestellten Praxisbeispielen erfolgt das Auskeilen mit Plastikkeilen über den gesamten Mauerwerksquerschnitt (ohne Beschädigung der Sperrschicht) in ausreichenden Abständen und anschließendes Verfüllen mit einem geeigneten schwindfreien Mörtel beziehungsweise einer Zementsuspension. Hierbei sind besonders die punktuelle Belastung der Sperrschicht und die Standsicherheit des Gebäudes zu berücksichtigen. Alternativ kann auch das kraftschlüssige raumfüllende Schließen ohne Auskeilen mit geeignetem schwindfreiem Mörtel beziehungsweise Zementsuspension über den gesamten Querschnitt der Mauer erfolgen.
Materialauswahl
Die Wahl des Baustoffes für die nachträgliche mechanische H-Abdichtung hängt maßgeblich von den Ergebnissen der Voruntersuchungen und dem gewählten Einbauverfahren ab. Die Materialien müssen wasserundurchlässig, wasser- und verrottungsbeständig sowie beständig gegenüber chemischer und mechanischer Belastung sein. In der Sanierungspraxis kommen daher glatte oder profilierte Edelstahlplatten aus nichtrostenden, korrosionsbeständigen Stählen, Abdichtungsbahnen oder Kunststoffplatten zur Anwendung.
Kunststoffplatten müssen zusätzlich die mechanischen Mindestanforderungen hinsichtlich Schlag-, Schub-, Biege- und Zugfestigkeit erfüllen. Häufig wird daher in der Praxis als Plattenmaterial ein spezielles Polypropylen verwendet.
Arbeitsbedingungen
Bei der Ausführung der mechanischen H-Abdichtung im Schneide- oder Sägeverfahren ist zu beachten, dass für die Aufstellung der Geräte und Lagerung des Materials ausreichend Raum zur Verfügung steht. Der Arbeitsraum wird auf der Arbeitsseite (zum Beispiel Geräteseite) in der Regel je nach Gerätegröße, mindestens jedoch 80 cm breit vorbereitet. Die Rückseite des Arbeitsraumes wird verfahrensabhängig vorbereitet; es wird stets auf ausreichende Kontrollmöglichkeiten der Schnittfuge geachtet. Beim Diamantseilverfahren muss die Seilführung ungehindert ermöglicht werden.
Die Mindesthöhe der Sperrebene über Boden wird verfahrens- und werkzeugabhängig gewählt; sie sollte in jedem Fall mindestens 300 mm oberhalb des höchsten anzunehmenden Grundwasserstandes angeordnet werden. Zur Sicherung der Sperrebene im Bereich der Plattenstöße müssen die Kunststoffplatten mit mindestens 5 cm Überlappung eingebaut werden. Muss die horizontale Sperrschicht auf Grund von örtlichen Gegebenheiten in höhenversetzten Ebenen eingebracht werden, sind die Sperrebenen miteinander zu verbinden.
Flankierende Maßnahmen
Als flankierende Maßnahme ist möglich: Der Anschluss an die bestehende H-Abdichtung
Foto: Jürgen Gänßmantel
Diese stellen ergänzende Möglichkeiten dar, das Sanierungsziel zu erreichen. Sie erfüllen nicht die Funktion einer H-Abdichtung. Dazu gehören Bauteiltrocknung, Einsatz von Kompressen, Opferputzen oder Sanierputzen, Beheizung, Raumlüftung oder Klimatisierung, Vertikalabdichtung innen/außen, Abführen von Oberflächenwasser und Ableiten der Dachentwässerung, Dränung, Mauerwerksverfestigung, Einbinden an vorhandene Abdichtungen usw.
Wirksamkeitskontrolle
Ob der kapillare Feuchtetransport im Mauerwerksquerschnitt mit der nachträglich eingebauten H-Abdichtung praktisch unterbunden wird, lässt sich mit verschiedenen Messmethoden überprüfen, beispielsweise durch direkte Messung des Feuchtigkeitsgehalts unter- und oberhalb der H-Abdichtung oder durch indirekte Überprüfung mittels Wärmestrommessung, IR-Thermografie oder Feuchterastermessung vor und nach der Sanierung. Wenn der Durchfeuchtungsgrad des trocken gelegten Mauerwerks maximal 20 Prozent beträgt (übliche praktische Ausgleichsfeuchte), ist ausreichende Wirksamkeit erreicht.
Besonders zu beachten
Die einzelnen Verfahren – mechanische und chemische H-Abdichtung durch Bohrlochinjektion – können miteinander kombiniert werden, um eine durchgehende Sperre zu erreichen. Dies gilt für Eckausbildungen, Rohrdurchführungen, Übergänge von Mauerwerk zu Deckenbalkenauflager oder bei unzureichender Zugänglichkeit.
Es ist zu berücksichtigen, dass es durch den nachträglichen Einbau der H-Abdichtung und die dadurch bedingten mechanischen Einwirkungen auf die Mauerwerkswände zu Fassadenschäden kommen kann, zum Beispiel durch Rissbildungen, Farb- beziehungsweise Putzabplatzungen. Dadurch könnte der Schlagregenschutz der Fassaden an der Wetterseite – unbedingt notwendig als weitere Voraussetzung für ein funktionierendes ganzheitliches Feuchteschutzkonzept – verschlechtert werden. Daher ist eine Inspektion der Fassaden nach der Ausführung der o. g. Arbeitsschritte zu empfehlen, um zu entscheiden, ob geeignete flächige Risssanierungsmaßnahmen erforderlich werden.
Fazit
Fachgerecht geplant und sorgfältig eingebaut sind nachträgliche Horizontalsperren in Bestandsbauten eine wirksame Schutzmaßnahme gegen kapillar aufsteigende Mauerwerksfeuchtigkeit.
AutorDipl.-Ing. (FH) Jürgen Gänßmantel ist Inhaber des Ingenieurbüros Gänßmantel in Kaufbeuren, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, Energieberater Baudenkmal und Mitglied im Vorstand des Fachverbandes Innendämmung e.V. (FVID) mit Sitz in Frankfurt am Main.
Literatur
WTA 4-7 Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft zur Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege international (WTA) e.V.: WTA-Merkblatt 4-7 „Nachträgliche Mechanische Horizontalsperre“, aktualisierte Ausgabe, München 2015.