Sanierung einer Natursteinmauer mit Kalkspatzenmörtel
Ein Mörtel, der sich selbst erneuert und repariert? Das kann Kalkspatzenmörtel seit über 2000 Jahren! Seine Positivliste ist lang und macht ihn bei historischen Gebäuden modernen Baustoffen überlegen. Das ist die Meinung von Georg Dengel, Geschäftsführer von Dengel-Bau.
Das Bauunternehmen Dengel-Bau in Schöntal, Baden-Württemberg, hat sich auf Denkmalsanierungen spezialisiert. Dengels Meinung nach sprechen besonders die Selbstheilungskräfte für den Kalkspatzenmörtel. Er schwindet nicht, weil die in ihm enthaltenen Kalkstücke jahrhundertelang immer wieder mit der Umgebungsfeuchte reagieren und ihr Bindemittel an den Sand abgeben. So repariert sich der Baustoff immer wieder selbst. Hinzu kommt die gute Diffusionsfähigkeit des Kalkspatzenmörtels, die feuchteregulierend wirkt. Bei hoher Luftfeuchte nimmt er Feuchtigkeit auf und gibt sie ab, wenn die Luft wieder trockener ist. Das sorgt gerade in Innenräumen für ein angenehmes Raumklima und bietet einen natürlichen Schutz gegen Schimmel.
Dann hat der Kalkspatzenmörtel ein ähnliches Witterungs- und Ausdehnungsverhalten wie Natursteine. Eine Natursteinmauer bleibt so in sich geschlossen. Es bilden sich keine winzigen Überstände heraus, die begünstigen, dass Wasser eindringen kann. Zudem ist er so elastisch, dass er gut in die unregelmäßigen Fugen eingebracht werden kann. Zu guter Letzt punktet er noch mit einer guten Flankenhaftung.
Am Anfang steht die Analyse
Die Gartenmauer des Amtsgerichts Besigheim vor der Sanierung
Foto: Dengel-Bau
Doch wann ist die Verwendung von Kalkspatzenmörtel bei historischen Sanierungen angezeigt? Die Antwort ist einfach: Immer dann, wenn die Originalmauer auch damit gemauert wurde. Zu erkennen ist das relativ einfach an den meist gut sichtbaren Kalkstücken im Original. So war es auch bei der Sanierung einer Natursteinmauer am Besigheimer Amtsgericht bei Stuttgart, die wegen schadhafter Ziegel in der Mauerkrone stark verwittert war. In der etwa 130 Jahre alten Gartenmauer waren die Kalkspatzen noch gut zu erkennen.
Ist die Erstdiagnose gestellt, beginnt die Feinanalyse. Thilo Schlick, Steinmetzmeister bei Dengel-Bau, nimmt dafür ein Stück vom historischen Baustoff, zerkleinert ihn und siebt den entstandenen Sand aus, um festzustellen, welche Zuschläge die alten Baumeister genommen haben. In Besigheim ergab die Analyse, dass Neckarsand im Verhältnis drei zu eins verwendet worden war. Zusätzlich enthielt der Mörtel Pferdehaare zur Armierung.
Mörtel anmischen wie früher
Für die Neuanmischung entschieden die Experten von Dengel-Bau, Stückkalk und Neckarsand in der Körnung 0 bis 4 mm zu verwenden. Geliefert wurde er von der letzten Neckar-Sandgrube bei Tübingen. Aus praktischen Gründen findet der Löschvorgang am besten direkt auf der Baustelle statt. Dazu benötigt man ein hitzebeständiges Gefäß, das Temperaturen zwischen 250 und 300 Grad Celsius aushalten kann. Es sollte leicht zu befüllen sein und eine Tür oder Klappe haben, so dass es von einer Seite frei zugänglich ist. Nur so kann die feste Masse später senkrecht von vorn abgestochen werden. In Besigheim kam ein einfacher Abholcontainer zum Einsatz.
Auf ein etwa 20 cm dickes Sandbett kommt eine Schicht Stückkalk
Foto: Dengel-Bau
Als erste Schicht kommt ein etwa 20 cm dickes Sandbett in den Mörtelzuber. Darauf wird dann eine Schicht von reinem Stückkalk verteilt, die wiederum gut mit Sand abgedeckt wird. Dann folgt der eigentliche Löschvorgang, bei dem die Mischung satt von oben gewässert wird und so die chemische Reaktion zwischen Kalk und Wasser einleitet. Dabei entstehen Temperaturen von über 250 Grad Celsius.
Jetzt gilt es ein paar Tage zu warten, bis der Mörtel gereift ist und sich der Kalkgries ausgebildet hat und verarbeitungsfähig ist. Das ist der Fall, wenn die angesetzte Mischung auf die Umgebungstemperatur abgekühlt ist. Im nächsten Schritt stechen die Handwerker ihn mit einem Spaten vom Mörtellaib portionsweise ab und vermengen ihn im Zwangsmischer. Bei Bedarf ergänzen sie etwas Wasser. Im Falle der Besigheimer Hofmauer mischte Dengel-Bau außerdem Hanffasern bei, die die Pferdehaare ersetzen sollten.
Auf genügend Feuchtigkeit achten
Damit der Mörtel nicht verbrennt, muss er ein paar Tage feucht gehalten werden
Foto: Dengel-Bau
Nach diesem Schritt kann das Verfugen mit dem Fugeisen beginnen. Dabei ist es wichtig, den Stein gut vorzunässen, damit sich Mörtel und Stein stabil verbinden können. Nach einem gewissen Abbindegrad muss die Sinterhaut des Mörtels mit Holzspateln und Blechschlingen entfernt werden, um die Diffusionsfähigkeit des Mörtels zu erhalten.
Anders als bei modernen Baustoffen ist mit dem Verfugen die Arbeit noch nicht beendet. Jetzt gilt es, Wand und Mörtel vor zu viel Sonne beziehungsweise zu großer Trockenheit zu schützen. Der Kalk braucht einige Tage, um vollständig auszureagieren. Wird dem Mörtel zu schnell Wasser entzogen, verbrennt er. Das heißt: Er zerbröselt und bindet nicht. Deswegen behängten die Mitarbeiter von Dengel-Bau die frisch verfugte Natursteinmauer mit angefeuchteten, luftdurchlässigen Jutebahnen, die sie mehrere Tage lang feucht hielten. Erst danach war die Arbeit an der Amtsgerichtsmauer abgeschlossen.
AutorinAntje Ebner ist PR-Spezialistin für Bau und Handwerk. Sie lebt und arbeitet in Schwäbisch Hall.