Sanierung von Putz, Stuck und Fugen an historischem Hinterhof in Berlin
Der so genannte „Alte Westen“ in Berlin, ein Quartier im Südwesten des Potsdamer Platzes, ist ein Stadtviertel im Um- und Aufbruch. An der Potsdamer Straße 91 hat das Büro AHM Architekten ein denkmalgeschützes Gebäudeensemble sehr sensibel zu einem lebendigen, kulturellen Ort umgebaut.
Das Projekt „Neue West“ zeichnet sich nicht zuletzt durch seine enorme Vielfältigkeit aus. In nur wenigen Berliner Hinterhöfen lässt sich die Entwicklungsgeschichte anhand noch bestehender Gebäude in seinen einzelnen Schichten so gut ablesen. Zwischen 1860 und 1883 entstand hier ein Gebäudeensemble mit einem der ältesten Gebäude der Straße. An dieses fünfgeschossige Vorderhaus mit Seitenflügel schließt das so genannte Atelierhaus mit sechs Geschossen an, das ebenso wie das Vorderhaus eine verputzte Fassade hat. Gegenüber diesem Atelierhaus steht ein auffallend kleines Gebäude: eine zu dem Ensemble gehörende dreigeschossige klassizistische Villa, die sich aber sehr gut gegenüber seinen deutlich höheren Nachbarbauten behaupten kann. Neben zwei kleineren Remisen bildet schließlich das sechsgeschossige „Fabrikgebäude“ den hinteren Abschluss des Hofes. Markant ist hier die Ziegelfassade in einem warmen Orangegelb-Ton.
So vielteilig der vorgefundene Bestand war, so vielteilig gestaltete sich dann auch die Sanierung mit den sehr unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Gebäude. Im Vorderhaus musste die Putzfassade mit Stuck instandgesetzt und das Dach neu aufgebaut werden. Auch im Atelierhaus musste das Dach erneuert werden. In den Normalgeschossen ist hier die kleinteilige Grundrissstruktur aufgelöst und durch eine großzügige Lösung ohne Zwischenwände ersetzt worden. Im Souterrain des Gebäudes wurden im Zuge der Sanierung kleine Werkstattläden mit eigenem Zugang vom Hof eingerichtet. In der Villa standen vor allen Dingen Holzarbeiten wie die Sanierung des Dachstuhls sowie der Nachbau der historischen Holztreppe im Vordergrund und im Fabrikgebäude konnten große, loftartige Büroräume geschaffen werden, die über einen neuen Fahrstuhl direkt zu erreichen sind. Zudem wurde hier eine Aufstockung auf der Basis einer alten Zeichnung, die in den Akten aufgetaucht war, realisiert.
Aufwendige Freilegung
Einer der ersten Schritte des Projektes war eine Farbanalyse durch die Restauratorin Silvia Koch. Durch partielles Freilegen kleinerer Flächen konnten die Farbbefunde der Fassaden und Treppenhäuser bestimmt werden. Auf Grund dieser Analyse und in Absprache mit dem Denkmalamt wurde beispielsweise festgelegt, dass die Fenster der meisten Gebäudeteile zwar alle braun gestrichen werden sollten, jedoch in ihrem spezifischen Ton variieren mussten, um die gewachsene Struktur auch weiterhin sichtbar zu machen. Zudem sorgt dies für eine größere Lebendigkeit. Ein weiteres Ergebnis war die Festlegung für eine angenehm frische Farbigkeit der Villa mit einem weißen Fassadenanstrich mit grauem Sockel und grünen Fenstern.
Besonders spannend sind die Malereien im Durchgang von der Straße in den Hof sowie im Treppenhaus des Vorderhauses. Letztendlich entschieden sich Architekten und Bauherr dafür, die historischen Funde in Teilen zu erhalten und im Sinne der vorgefundenen Farbigkeit fortzuführen aber neu zu interpretieren. Im Durchgang sind daher die Decken mit ihren Stuckornamenten wie vorgefunden freigelegt worden, während die Wände mit Kassettierungen und Rahmen, basierend auf dem alten Farbkonzept, neu gestrichen wurden.
Im Treppenhaus des Vorderhauses konnte die trapezförmige Fläche entlang des ersten Treppenlaufes sowie eine Rechteck-Fläche am Zwischenpodest ebenfalls freigelegt werden. „Das war eine enorm aufwendige Arbeit“, erzählt Malermeister Bernhard Holtmann, dessen Firma die Freilegung der Treppenhauswand durchgeführt hat. „Es waren doch sehr viele Farb- und Spachtelschichten, die hier übereinanderlagen und vorsichtig mechanisch mit Wasser und Lauge abgelöst werden mussten.“ Um das Ergebnis zu schützen wurde anschließend mit einer Bürste ein Fixativ auf Sol-Silikatbasis aufgetragen. Da die Freilegung alleine dieser ersten Wandflächen viel Zeit in Anspruch genommen hatte und zudem eine etwas hellere Farbgebung im Treppenhaus insgesamt gewünscht worden war, entschieden sich die Architekten dafür, in der Fortsetzung die vorgefundene Malerei zu abstrahieren. Die Grundgliederung wurde daher durch die trapezförmigen beziehungsweise rechteckigen Flächen aufgegriffen, aber nur mit einem doppelten, goldenen Rahmen auf hellem Grund vereinfacht dargestellt.
Umfassende Stuck- und Putzsanierung
Sehr gute Arbeit leistete auch die Stuck und Bau GmbH Jacobi aus Berlin, die sowohl die Straßenfassade als auch alle anderen Putzfassaden des Ensembles saniert hat. Gerade die Stuck- und Schmuckelemente an der Straßenfassade und der Villa im Hof waren stark sanierungsbedürftig. „Hier mussten wir sehr viele profilierte Gesimse, Sohlbänke, Stuckkonsolen und Fensterverdachungen großflächig überarbeiten beziehungsweise zum Teil komplett erneuern“, erzählt Geschäftsführer Ulrich Jacobi. „Teilweise haben wir von den vorhandenen originalen Schmuckelementen, Konsolen oder Gesimsen Schablonen oder Silikonformen abgenommen.“ So konnten neue Formen gebaut und die Neustuckteile aus Gipskalk oder Kalkzement gegossen oder gezogen, diese an der Fassade verankert, verklebt und / oder gedübelt und anschließend verputzt werden.
Noch erhaltenswerte Gesimse zogen die Handwerker vor Ort mit Hilfe der neuen Schablonen nach. Dabei lautete das Motto des Denkmalschutzes: Was erhaltenswert ist, soll erhalten werden! Dasselbe galt für die Putzfassaden des Innenhofes. Hier konnten fast die Hälfe des historischen Putzes erhalten und mit einem Kalkputz ergänzt werden. Anschließend wurden alle Flächen mit einem sehr feinen Kalkputz, einer so genannten Kalkglätte, überzogen.
Nach einer Bemusterung mit verschiedenen Musterflächen unterschiedlicher Körnung, entschieden sich Architekten und Bauherr für eine Körnung von 1 bis 2 mm, die der alten Putzoberfläche sehr nahe kommt. „Die historische Oberflächenstruktur sollte nicht verloren gehen!“, erklärt Bauleiter Christof Sieber. „Die Oberflächen sollten nicht zu clean wirken und das Handwerkliche unbedingt erhalten werden. Dazu gehören ,nicht-perfekte‘ Oberflächen und leicht krumme Kanten.“ Die krummen Kanten beziehen sich dabei unter anderem auf die Riefen der Putzfassade, deren Lage exakt an das historische Vorbild angepasst wurde.
Mit einer Schlinge in entsprechender Breite zogen die Stuckateure sie in der vorgegeben Tiefe in den frischen Putz. „Für uns, die wir seit mehr als 25 Jahren Putz- und Stucksanierungen ausführen, war es dennoch ein besonderes Projekt, da es eher selten ist, dass man heutzutage noch Fassaden vorfindet, an denen seit Baubeginn im Grunde nichts verändert worden ist“, sagt Ulrich Jacobi.
Sanierung der Ziegelfassade
Das Besondere an der Sanierung der Ziegelfassade des Fabrikgebäudes war nicht zuletzt der Ziegel selbst, da an den meisten Berliner Hinterhofbebauungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts eher weiße keramische Verblendsteine mit entsprechend kühlerer Ausstrahlung zu finden sind. Der warme Gelbton der Bestandsfassade hingegen verbreitet eine angenehme, ruhige Stimmung, die die Architekten gerne erhalten wollten. Die auch hier sehr behutsam ausgeführte Sanierung umfasste das Reparieren von Rissen, das komplette Ausräumen der Fugen, das Säubern und Austauschen von Steinen sowie das Neuverfugen. Die statische Sanierung der Risse erfolgte in diesem Fall mit einem Spiralankersystem von Desoi mit zugehörigem Ankermörtel. Hierfür wurden die Fugen tief ausgekratzt, gereinigt und die Edelstahlanker eingelegt. Der Spiralankermörtel bewirkt dabei eine kraftschlüssige Verbindung zwischen den Spiralankern und dem Mauerwerk. „Für das Reinigen der Steine war zum Glück nicht die ,große chemische Keule‘ notwendig“, so Michael Franz von der ausführenden Firma VESTA Baugeschäft GmbH. „Im Wesentlichen konnten wir die hauptsächlich durch Ruß verschmutzten Steine mit einer einfachen Seifenlauge reinigen. Nur an wenigen Stellen haben wir das JOS-Verfahren anwenden müssen.“
Für die auszutauschenden Steine musste nun noch Ersatz gefunden werden. Nach der Bemusterung fiel die Wahl auf einen Ziegel der Egernsunder Ziegel GmbH, der sich sowohl farblich als auch durch seine leicht raue Oberfläche optimal an das Original anpassen ließ. „Auch die Fugenfarbe wurde lange bemustert“, so Bauingenieur Franz. „Beim Fugenmaterial selbst handelt es sich um einen Standard-Werk-Trockenmörtel von quick-mix, der sich in verschiedenen Farbnuancen anmischen lässt. In diesem Fall wurde ein Rotton gesucht, der im Endeffekt in einem Mischungsverhältnis von 1:4 mit einem Grauton abgemischt wurde. Die Fuge selbst sollte allerdings, trotz ihrer Farbigkeit, in den Hintergrund treten und wurde daher tiefer und leicht gerundet verfugt.“
Insgesamt wurde ein tolles Ergebnis erzielt, da es allen am Projekt Beteiligten gelungen ist, sowohl den historischen Charakter des Ensembles als auch die Individualität der einzelnen Gebäude zu bewahren und damit einen belebten, modernen Ort zu schaffen, der zeitgemäßen Nutzerwünschen gerecht wird.
AutorinDipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem für die Zeitschriften DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau tätig.
In nur wenigen Berliner Hinterhöfen lässt sich die Entwicklungsgeschichte anhand noch bestehender Gebäude so gut ablesen
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr ANH Hausbesitz, Berlin
Architekten AHM Arnke Häntsch Mattmüller
Architekten, Berlin
Bauleitung Jablonka Sieber Architekten, Berlin
Farbbefund Silvia Koch, Berlin
Malerarbeiten im Treppenhaus Holtmann Malerei Meisterbetrieb, Berlin
Stuck- und Putzerarbeiten Jacobi Stuck & Bau,
Berlin
Sanierung der Ziegelfassade VESTA Baugeschäft, Potsdam
Herstellerindex (Auswahl)
Spiralankersystem Desoi, Kalback,
Fugenmörtel quick-mix, Osnabrück,
Ziegelsteine Egernsunder Ziegel, Egernsund,