Restaurierung des Kapitols in Havanna
Bei der Restaurierung des Kapitols in Havanna mussten die Natursteinoberflächen des fast 90 Jahre alten Gebäudes von außen und innen gereinigt und geschützt werden. Die hervorragende handwerkliche Ausführung dieser Arbeiten wurde 2016 mit dem Bernhard-Remmers-Preis gewürdigt.
Umgestürzte Bäume und Trümmer sind wieder aus dem Stadtbild verschwunden. Ein Gang durch das „Centro Historico” zeigt jedoch, dass auch ohne die Schäden, die Hurrikan „Irma“ verursacht hatte, die Stadt vor einer großen Herausforderung steht, denn viele der fünf- und sechsstöckigen Prunkbauten der Kolonialzeit gleichen zum Teil Ruinen. Unmittelbar daneben gibt es aber auch bereits restaurierte Straßenzüge.
Der Masterplan zur Sanierung der Stadt und die Leitung der Arbeiten liegt in den Händen von Dr. Eusebio Leal Spengler, dem Stadthistoriker mit Ministerrang und oberstem Denkmalschützer des Landes. Er führt mit seiner mehr als tausend Mann starken Behörde seit vielen Jahren einen fast aussichtslosen Kampf gegen den Zerfall dieser „Perle der Karibik”. Ihm war von Anfang an klar, dass nur mit den Mitteln des Inselstaates in der Karibik diese Mammutaufgabe nicht zu bewältigen war. So kam schon vor Jahren der Kontakt zum Thüringer Michael Diegmann zustande, der im Laufe der Jahre durch verschiedene Projekte vor Ort verstärkt und intensiviert wurde.
Die gemeinsam gemachten Erfahrungen ergaben sich bei der Restaurierung der ehrwürdigen Fassaden am Karibikboulevard Malecón, wo auch die Botschaft der Vereinigten Staaten steht. Und diese Aufgaben wurden mit Bravour gelöst. Bald schon wurden die Deutschen, die 2008 quasi Tag und Nacht am Malecón in Havanna arbeiteten, wegen ihrer „Leuchthosen” zum Stadtgespräch. Sie fielen aber vor allem durch ihren Fleiß, die Termintreue und die Qualität ihrer Arbeiten auf.
Und das gefiel auch dem Stadthistoriker Dr. Eusebio Leal Spengler. Ein Großprojekt auf seiner „To-do-Liste“ war und ist die Restaurierung der Fassade des Kapitols. Und diese Deutschen mit ihrem Know-how und ihren Spezialprodukten Made in Germany, kamen dem Stadthistoriker hierfür wie gerufen. So ging dieser Auftrag in Kuba an die MD Projektmanagement GmbH aus Thüringen.
Das Kapitol in Havanna ist das größte Gebäude seiner Art weltweit
Das 1929 in Havanna erbaute Kapitol ist in Teilen dem Petersdom in Rom und dem Kapitol in Washington nachempfunden und damit das Größte seiner Art weltweit. Der Auftrag, die Fassade eines der größten und schönsten Gebäude Kubas zu restaurieren, war ein großer Vertrauensbeweis des Oficina del Historiador und das Ergebnis der jahrelangen vertrauensvollen und freundschaftlichen Zusammenarbeit. „Das Kapitol ist hinsichtlich der Konstruktion und Bauweise ein einzigartiges Meisterwerk. Dies soll und muss sich auch in der fachmännischen Restaurierung widerspiegeln”, meint Michael Diegmann. Nach der mittlerweile abgeschlossenen Renovierung und Restaurierung des Nordflügels soll es wieder Sitz des kubanischen Parlaments werden.
Michael Diegmann ging das Großprojekt besonnen an und vereinbarte eine Zusammenarbeit mit Thüringer Restauratoren. Hendrik Romstedt aus Kirchheim und Stefan Haustein von der Denkmalpflege Mühlhausen Huschenbeth GmbH & Co. KG (zuvor Geschäftsführer der Bennert Restaurierungen GmbH) brachten ihre langjährigen Erfahrungen mit ein. Haustein empfahl nachdrücklich den Einsatz diverser Spezialprodukte von Remmers und leistete vielfach fachmännische und freundschaftliche Unterstützung. Auf seinen Rat hin holte man Dirk Meyer, Planer- und Objektmanager der Remmers Fachplanung mit ins Team. Das Ziel: Eine nachhaltige Restaurierung nach dem neuesten Stand der Technik, keine kurzfristigen kosmetischen Korrekturen. Um das zu erreichen wurden gemeinsam die Spezialprodukte ausgewählt, die für den Restaurierungserfolg unverzichtbar waren.
Weiterbildung für 40 kubanische Auszubildende
Im Rahmen der Produkteinführung wurden 40 kubanische Mitarbeiter mit den deutschen Restaurierungstechnologien vertraut gemacht und die fachmännische Verarbeitung der dazu gehörenden Spezialprodukte trainiert.
Final wurden von den ausgebildeten Kubanern sieben frisch gebackene Restauratoren ausgewählt, die sich mit einem deutschen Vorarbeiter und Michael Diegmann als Teamleiter an die Arbeit machten. Diese Kernmannschaft von gerade einmal neun Spezialisten stellte sich der riesigen Aufgabe, die 30 000 m2 Fassade Zentimeter für Zentimeter zu restaurieren.
„Wir sind ein kleines Team mit einer großen Aufgabe und einem hohen Qualitätsanspruch. Jeder ist sich der Bedeutung seiner Arbeit bewusst, denn jeder einzelne Quadratzentimeter wird während der einzelnen Arbeitsschritte mehrfach angefasst. Die Resultate begeistern die stolzen Kubaner und erfüllen auch mein Team und mich mit großem Stolz. Das motiviert, die noch anstehenden großen Aufgaben mit frischer Energie anzugehen“, sagt Michael Diegmann. „Es macht einen schon sehr stolz“, gibt Michael Diegmann bescheiden zu, „jedoch muss man sich jeden einzelnen Tag neu beweisen und sein Bestes geben, um das in meine Firma gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. Es gilt dabei, neben den eigenen Qualitätsanforderungen, auch die tropischen Temperaturen und das Zusammenspiel zwischen kubanischer und deutscher Mentalität zu meistern. Und wenn wir in vielen Jahren einmal mit unseren Enkelkindern am Kapitol stehen und immer noch stolz auf unsere Arbeiten sein können ist klar, dass hier etwas Besonderes geleistet wurde“.
Schlagregenschutz für Naturstein durch Fassadencreme
Oberste Prämisse bei der Restaurierung der Natursteinfassade war der Erhalt der ursprünglichen Struktur und Farbgebung. Deshalb kam ein kompletter Anstrich nicht infrage. Dieses Ziel erreichte man mit folgender Vorgehensweise: Nach einer schonenden Reinigung der Fassade im Rotec Softstrahlverfahren erfolgte lediglich die Imprägnierung der Fassade mit der farblosen Remmers Fassadencreme zur Verhinderung von erneuter Wasser- und Schadstoffaufnahme. Die einfach ohne Tropfen und Kleckern aufzutragende Cremeschicht hebt sich anfangs optisch gut ab und ermöglicht eine kontrollierte Auftragsmenge. Durch die cremige Konsistenz bleibt das Imprägniermittel standfest und wird erst nach Kontakt auf der Oberfläche nach und nach durch kapillare Kräfte tief in den Baustoff gezogen. Durch diesen Fassadenschutz konnte ein „Tot-Streichen” der Wandflächen vermieden werden.
„Peeling” der Natursteinoberflächen mit Naturlatex
Nach fast neun Jahrzehnten Standzeit des Kapitols hatten sich vielerorts Verkrustungen und Schmutzschichten gebildet. Die primäre Aufgabe lautete also auch im inneren des Gebäudes: Reinigung der wertvollen Bausubstanz, ohne deren Farbgebung, Substanz und Struktur anzugreifen. Hierzu verwendeten die Restauratoren ein „Peeling” der Natursteinoberflächen mit Naturlatex („Arte Mundit“ von Remmers). Nach Auftrag durch Sprühen und Pinseln polymerisiert bei dem Verfahren die Latexdispersion zu einem elastischen Film, der nach drei Tagen schonend von Hand abgezogen wird. An ihm haftete der Schmutz der letzten 90 Jahre. „Die Vorführung dieses Effektes im April 2014 vor einem Entscheider-Gremium aus Architekten, Ingenieuren, Technikern und natürlich den Direktoren erzeugte ein ,Aha-Erlebnis‘. Es hatte Merkmale einer Zauber-Show und der begeisterte Applaus war der Hintergrund-Sound der spontanen Auftragserteilung durch das Oficina del Historiador für das Gesamtprojekt“, so Michael Diegmann.
Schlämmlasur und speziell entwickelter Mörtel für den Naturstein
Am Sockel der Fassade gab es Abschnitte mit sehr starken Verunreinigungen, bei denen die Reinigung nicht den erwünschten Erfolg brachte. Hier kam zur Farbangleichung die „Historic-Schlämmlasur“ vom Remmers zum Einsatz. Die feinsandige Siliconharzfarbe ermöglichte einen rauen Lasuranstrich für den Erhalt der mineralischen Untergrund-Optik. Das „Tot-Streichen“ der strukturierten farbigen Untergründe konnte somit vermieden werden. Zusatznutzen: Hydrophobierung, Egalisierung der Rauigkeiten und (Mikro-) Risse sowie die partielle Festigung morbider Bereiche. Die Wasser abweisende Wirkung erfolgt schwerpunktmäßig an der Oberfläche, mit einem fließenden Übergang zum Stein. Dadurch bleibt die Fassade auch in diesen Bereichen bei tropischem Starkregen weitgehend trocken und Feuchteschäden unterbleiben.
Bei der Restaurierung der Natursteine setzte die mit diesen Arbeiten betraute Firma Romstedt Kirchheim einen speziell entwickelten Mörtel ein. Dieser hat eine Acrylharzdispersion als Bindemittel und wurde besonders für die Arbeiten in Havanna mit vier Farbabstufungen konzipiert.
Bei den restaurierten Oberflächen handelt es sich um herausragende handwerkliche Leistungen in der Baudenkmalpflege, die in der Kategorie „International“ auf der Messe denkmal im November 2016 in Leipzig ganz zu Recht mit dem Bernhard-Remmers-Preis gewürdigt wurden. „Insbesondere der derzeit noch zu erkennende Kontrast zwischen den noch nicht restaurierten Bereichen und den bereits abgeschlossenen Bereichen verdeutlichen die Herausforderungen der geleisteten Arbeiten“, so der Kommentar der Jury für die Vergabe des Bernhard-Remmers-Preises vor einem Jahr.
Im Internet finden Sie unter www.youtube.com/bauhandwerk einen Film, in dem Michael Diegmann die Geschichte und die Restaurierung des Kapitols in Havanna beschreibt
AutorJens Engel ist Produktmanager Bauten- und Fassadenschutz bei der Firma Remmers in Löningen.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauleitung und Denkmalbehörde Oficina del
Historiador, Dr. Eusebio Leal Spengler, Habana Vieja
Planung Stefan Haustein, Denkmalpflege
Mühlhausen Huschenbeth, Mühlhausen,
www.denkmalpflege-muehlhausen.de
Hendrik Romstedt, Romstedt – Technologien für Restauratoren, Kirchheim, www.romstedt.de
Restaurierungsarbeiten Michael Diegmann,
MD Projektmanagement, Küllstedt,
Produktspezifische Beratung Dirk Meyer, Remmers Fachplanung, Löningen
Eingesetzte Produkte „Historic Schlämmlasur“, Fassadencreme zur Imprägnierung, „Arte Mundit“ Reinigungspaste, Remmers, Löningen, www.remmers.de