Stuck und Bossen für eine neues Wohn- und Geschäftshaus in Bünde
Wer sich dauerhaft an großflächigen Putzfassaden mit eleganten Stuckleisten und aufwendigen Bossierungen erfreuen möchte, kann Spannungen nicht gebrauchen. Entscheidend hierfür ist ein leistungsfähiger Putz mit einem abgestimmten Systemaufbau.
Im 19. Jahrhundert verdiente man in Bünde viel Geld mit der Tabakindustrie. Vom Glanz dieser Zeit künden viele Industriellenvillen mit opulenten Stuckfassaden, die bis heute das Stadtbild prägen. Das neue Wohn- und Geschäftshaus Sedanstraße 2 - 4 nimmt diesen Stil auf und interpretiert ihn mit modernen Baustoffen und filigraner Gestaltung neu.
Über exakt 33,28 m Länge erstreckt sich die der Straße zugewandte Fassade des dreigeschossigen Gebäudes. Dabei weist es keinerlei Versprünge auf, in denen Dehnungsfugen für Entlastung sorgen und thermische Spannungen auffangen könnten. Das als Penthouse mit umlaufender Dachterrasse gestaltete dritte Geschoss schließt mit einer filigranen Attika ab und besitzt damit kaum Dachüberstand, der das nächtliche Abkühlen der Fassadenoberfläche abpuffern könnte.
Wer schön sein will, muss leisten
Bauherr und Architekt hatten sich im Vorfeld bewusst gegen ein konventionelles WDVS mit EPS als Dämmstoff entschieden. Ausgeschrieben wurde deshalb ein rein mineralischer, massiver Aufbau mit Putzoptik, wobei der Rohbau in monolithischer Bauweise mit Hochlochziegeln erstellt werden sollte. Anders als bei einem zweischaligen Mauerwerk, bei dem die innenliegende Luftschicht entkoppelnd wirkt, übertragen dabei die aufliegenden Deckenelemente Spannungen direkt auf die applizierten Putzlagen.
„In Summe haben wir es hier mit ausgesprochen anspruchsvollen Ausgangsbedingungen bei der Fassadenbeschichtung zu tun“, sagt Bauingenieur Alexander Stühmeier, Inhaber des mit der Abwicklung beauftragten Ingenieurbüros für bautechnische Dienstleistungen [devecon.], und ergänzt: „Die spannungsabbauenden Funktionen, die der Baukörper aus ästhetischen und bautechnischen Gründen nicht erbringt, muss das Putzsystem verlässlich kompensieren.“ Daneben sollten die Baustoffe nicht nur besonders funktional und leistungsfähig, sondern auch wirtschaftlich zu verarbeiten sein. Die Lösung für diese herausfordernden Rahmenbedingungen besteht in einem ausgewählten Systemaufbau, der den verschärften Anforderungen standhält.
Am Sockel wurde mit dem „Sockel-Leichtputz SLP-it“ der Schwenk Putztechnik (Premiummarke der quick-mix Gruppe für Putzsysteme) ein Kalkzementputz speziell für Untergründe mit niedriger Rohdichte gewählt. Eine erhöhte Hydrophobierung des Sockels verhindert, dass Feuchtigkeit in Form von Spritzwasser oder Taufeuchte kapillar aufsteigt und in den Putz einzieht. Dabei besitzt der „SLP-it“ einen definierten und spannungsarmen Erhärtungsverlauf, der für eine gleichmäßige Festigkeitsentwicklung unabhängig vom Saugverhalten des Untergrunds und der Umgebungstemperatur sorgt, so dass die sonst übliche Standzeit von einem ganzen Tag pro Millimeter Putzdicke auf einen halben Tag verkürzt wird. Durch das definierte Abbindeverhalten kann der Sockelputz nach ein bis zwei Stunden rabottiert werden. Im abgebundenen Zustand ist der Baustoff diffusionsoffen und verfügt über ein sehr gutes Standvermögen mit hoher Sicherheit gegen Schwindrissbildung.
Faserverstärkter Leichtunterputz nimmt die Spannung
Oberhalb des Sockels brachten die Handwerker zunächst zwei Lagen des mineralischen faserverstärkten „Leichtputzes Typ II MEP it“ für hochwärmedämmendes Mauerwerk auf. Die variierende Schichtdicke von 15 bis 35 mm gibt den Handwerkern dabei genügend Spielraum, um im Untergrund vorhandene Toleranzen in der Maßgenauigkeit des Rohbaus auszugleichen. Auch dieser Putz besitzt die „it“-Mörteltechnologie der Schwenk Putztechnik, die einen früh einsetzenden und auf die Verarbeitungsbedingungen abgestimmten Festigkeitsverlauf bewirkt, so dass er wesentlich früher weiterbearbeitet werden kann. Nach einem halben Tag Standzeit kann die nächste Lage aufgebracht werden. Nach etwa zwei Stunden ist die Putzlage bereit zum Abrichten beziehungsweise Rabottieren. Für Udo Kühn, Geschäftsführer und Inhaber des Stuckateur-Meisterbetriebs Kühn GmbH ein enormer Gewinn an Planungssicherheit: „Als Verarbeiter macht uns die it.-technologie unabhängiger von äußeren Einflüssen wie Witterung, Temperatur und Toleranzen im Untergrund. Aus unternehmerischer Sicht eliminiert das eine Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren und macht den Baustellenablauf planbarer.“ Andres Gomez, Projektmanager bei der quick-mix Gruppe, ergänzt: „Ich vergleiche das immer mit einem Maßanzug. Der Putz wird im Werk objektspezifisch für das konkrete Bauvorhaben unter Berücksichtigung der jahreszeitlichen Witterungsbedingungen rezeptiert.“
Als zusätzliche Sicherheitskomponente folgte auf den Unterputz eine mineralische Armierungsschicht von 5 mm dicke mit vollflächiger Gewebeeinlage aus hochreißfestem, alkalibeständigem Armierungsgewebe, bestehend aus den Systemkomponenten „Spachtelkleber SK leicht“ und „Armierungsgewebe F“. Der Leichtputz Typ II bindet früh ab, so dass keine Schwundrisse entstehen. In Kombination mit der vollflächigen Gewebespachtelung ergibt sich so ein hinreichendes Sicherheitspolster, das den verschärften Ausgangsbedingungen gerecht wird. „Eine redundante Absicherung gegen Spannungsrisse, bildlich gesprochen das Prinzip Hosenträger plus Gürtel“, sagt Gomez.
Anstelle von vorgefertigten Profilen wurden die Bossierungen nach traditioneller Handwerkskunst nach etwa einer bis anderthalb Stunden mit Putzlehre und Nutenkelle in den „Unterputz SLP-it“ eingezogen und modelliert. Als Oberputz trugen die Stuckateure mit dem mineralischen „Variostar“ der Schwenk Putztechnik einen hoch CO2- und wasserdampfdurchlässiger Leicht-Scheibenputz mit einer Kornstärke von 3 mm auf. Im Bereich der Fensterbänke verbauten die Handwerker Keramikstuckprofile in gekröpfter Ausführung. Die Abdichtung der vorstehenden Stuckelemente erstellten sie mit einer einkomponentigen Dichtschlämme.
Als Grund- und Deckanstrich erhielt das Gebäude einen Fassadenanstrich auf Silikatbasis mit dem quick-mix Produkt „Lobakat LK 350“ mit algizider und fungizider Ausrüstung (AFA). „Diese hoch hydrophob eingestellte Fassadenfarbe auf mineralischer Basis vereint eine Vielzahl von Eigenschaften auf sich, die den Baustoff zur ersten Wahl bei witterungstechnisch exponierten Lagen machen“, sagt Andres Gomez.
AutorCarsten Hinnah ist Mitglied im Arbeitskreis Baufachpresse und arbeitet als Redakteur für die Agentur Sputnik in Bonn.